Über mich

Wenn man in Kanada geboren wird und seine Kindheit und Jugend in Südamerika, der Karibik und den USA verbringt, dann kann es nicht verwundern, dass ein Interesse für alles, was unser bunter Planet zu bieten hat, zur Grundlage einer aufmerksamen, fröhlichen Weltsicht wird.

  • Geboren am 17. Juli 1955 in Montreal, Kanada
  • Kindheit und Jugend in Venezuela, Puerto Rico und den USA. Seit 1972 in Deutschland
  • Ausbildung zur Goldschmiedin an der Goldschmiedeschule in Pforzheim
  • Arbeiten für Atelier Hocke und Studio Hoerkens
  • Meisterprüfung an der Meisterschule Kaiserslautern
  • Ausstellungen u.a. im Reiß-Museum (Mannheim), Amerika-Haus (Heidelberg), Hoechster Porzellan – Manufaktur (Frankfurt, etc.), Frankfurter Messe, Landesmuseum Stuttgart, Schmuckmuseum Pforzheim, Arai Gallery (Tokyo), Gallery Pistachios (Chicago), Mind and Matter (Luxemburg), Schmuckhaus (Berlin), Villa Kult (Berlin)

Bedingt durch den Ingenieurberuf des Vaters hat Suzanne Thiel alle diese so unterschiedlichen Landschaften, Kulturen und vor allem Menschen sehr früh kennengelernt. Neugierig nahm sie deren Vielfalt auf, versuchte sie zu verstehen und sich verständlich zu machen. Da hätte es nahe gelegen, Sprache zum Beruf zu wählen. Doch Worte allein waren Suzanne Thiel nicht genug. Wovon sie träumte, waren Aussagen, die sichtbar waren, Auskünfte, die man mit den Fingerspitzen fühlen konnte, Gespräche, die man mit den Händen gestaltete.

Ein Schmuckstück ist nichts ohne den Menschen, der es trägt. Allerdings muss er es respektieren und verstehen. Der Träger weckt durch seine Zuneigung die Seele des Schmucks.

Also absolvierte sie eine konventionelle Ausbildung zur Goldschmiedin an der Goldschmiedeschule in Pforzheim. Und sie hatte Glück. Bereits kurz nach ihrer Gesellenprüfung begegnete sie Rainer Hoerkens und bekam die Chance, in seiner Werkstatt zu arbeiten.

Hoerkens ermutigte neue Wege des Ausdrucks zu suchen. Neben der klassischen Arbeit mit Gold, Silber und Edelstein begann Suzanne Thiel mit ungewöhnlichen Materialien zu experimentieren. Arbeiten aus Papier, Schiefer, Holz, Kokosnuss und anderen „Exotica“ entstanden. Sie stöberte auf Schrottplätzen und in Kuriositätenläden nach inspirierenden Materialien. Findet Ungewöhnliches, fertigt Ungewöhnliches. Noch hatte sie „ihr“ Material jedoch nicht gefunden.

Meine Materialien haben Eigenschaften. Ganz grundlegende zur Spezies gehörige, aber auch ausgesprochen individuelle, die sich aus der Geschichte des Teilstücks erklären. Sie in ihrer ganzen Vollkommenheit zu erhalten und zu benutzen, gehört zu den Grundsätzen meiner Arbeit.

Da kam ihr, wie sie fest glaubt, das Schicksal zu Hilfe. An einem windigen Abend lief ihr überraschend ein Freund über den Weg, den sie lange nicht gesehen hatte. Dessen Freude über die Begegnung war so groß, dass er ihr spontan ein Geschenk machte. Er zog eine Streichholzschachtel aus seiner Jackentasche und überreichte sie ihr freudestrahlend. Zurück in ihrer Werkstatt öffnete sie das Schächtelchen und siehe da: fein aufgereiht lagen Mosaiksteinchen verschiedenster Farbe und Form darin. Fasziniert breitete sie die bunte Pracht vor sich auf dem Tisch aus. Als sie die Steine aber wieder einpacken wollte, blieben ein paar übrig, die keinen Platz mehr in der Schachtel fanden. Aus Angst, die winzigen Pretiosen zu verlieren, beschloss Suzanne Thiel, sie zu Schmuckstücken zu verarbeiten. Die Vielfalt dieser handgeschlagenen Glassteine, ihre exquisite Individualität und ihre anspruchsvolle, aufwendige Bearbeitung zogen Suzanne Thiel bald völlig in ihren Bann. Sie spürte, dass sie mit der ungewöhnlichen Ausdruckskraft dieses Materials ihren Vorstellungen von idealem Schmuck näher kommen kann. Bald stellt sie fest, dass alte Bestände von Mosaiksteinen eine höchst begehrte Kostbarkeit sind und schwer zu beschaffen. Denn die Kunst ihrer Herstellung, traditionell in Venedig zu Hause, ist sehr selten geworden.

Schmuckreihe Mosaikketten. Halsketten aus handgeschlagenem venezianischem Mosaikglas, sortiert und aufgezogen auf stahlbeschichtetem Vorfachseilen teilweise durch hohlmontierte Silberelemente ergänzt. Die Schließen sind aus 925er Massivsilber und zum Teil antiken chinesischen Münzen nachempfunden.

Von den Glaswerkstätten der Marco Polo-Stadt zu den quirligen Karawansereien der Seidenstraße war, in dieser Arbeitsphase, kein so weiter Weg für die wache Phantasie von Suzanne Thiel. Seit Kindheitstagen war sie verzaubert von den Mythen und der Exotik des traditionellen Asiens. Eine Reise in die Löwenstadt Singapur entfachte diese alte Liebe von neuem. Es entstand ihre Reihe „Chinesische Kachelringe” aus Email. Das Zusammenspiel von grafischer Strenge und geheimnisvoller Symbolkraft der chinesischen Zeichenschrift einerseits, die klaren Farben des Email und die großzügige, archaische Fertigung der Ringe andererseits verleihen diesem Schmuck einen handfesten künstlerischen Ausdruck mit sehr eigenständiger Note.

Schmuck der Seidenstraße. Chinesische Kachelringe aus Feueremail. Grubenemaillierte Oberfläche, plangeschliffen und mattiert; Trägermaterial 925er Massivsilber, großformatige Kachelringe mit stilisierten Elementen ost- und zentralasiatischer Kunst sowie Piktogrammen (Schriftzeichen) aus der klassischen chinesischen Philosophie.

Zum zweitenmal nahm sie das Schicksal an die Hand, eine Reihe unversehrt erhaltener Produktmuster aus Kunsthorn entdeckte. Vigorit, Leukorit und wohl am populärsten Bakelit waren frühe Kunststoff – Entwicklungen der goldenen 20er Jahre. Keineswegs golden, sondern in delikaten Pastelltönen, regten diese kleinen Farb- und Materialproben augenblicklich Suzanne Thiels Vorstellungskraft an. Wenn es auch ein Widerspruch in sich war – dieser Kunststoff lebte für sie.

Unikat Schmuck aus frühen Kunststoffen. Halsketten mit komplett montierten original Kunsthorn-Produktmustern (Großformatige Einzelstücke aus Leukorit, Vigorit und Bakelit der 1920er Jahre). Fassungen, Gelenkverbindungen und Ringschienen aus massivem 925er Silber.

Wie konnte man diese Muster tragbar machen? Gab es einen Weg, ihre außergewöhnlichen Eigenschaften ungebrochen, ungebeugt, als Ganzes in ein Schmuckstück zu transformieren? Der alte Programm-Satz der klassischen Moderne „form follows function“ musste umgedreht werden. Hier sollte die Funktion sich der Form unterordnen oder vielmehr diese neu interpretieren. Die Lösung erforderte Sensitivität, Imagination und handwerkliche Fertigkeit. Es ist Suzanne Thiel schließlich geglückt, dieser Herausforderung gerecht zu werden. Ihre extravaganten Schmuckstücke sind hier Unikate unter Verwendung der unbearbeiteten Originalmuster. Diese Kollektion vereint futuristische Schmuckgestaltung mit dem Charme frühen Industriedesigns.

Suzanne Thiel mag Menschen und liebt das Leben. Und deshalb, sagt sie, macht es Spaß, Schmuck zu fertigen. Dazu gehört, daß man nichts  zwingt. Nicht das Material in eine Form, die ihm die Eigenheit nimmt, nicht die Träger zu einem ungewollten Kotau vor dem Modetrend, und nicht sich selbst zu einer Arbeit, die das Herz leer läßt. Wenn man das befolgt, dann ist es möglich, daß Suzanne Thiels Traum sich erfüllt. Gerne fertigt Suzanne Thiel weiterhin aus ungewöhlichen Materialien fesselnden Schmuck – in letzter Zeit auf der Fährte von “Lost and Found and Nosing Around.”

Text: Klaus Mombrei, Ulf Matthiesen